Pressespiegel

In der Isolation gefangen
Video-Installation von Günther Wilhelm in der Galerie HartmannStrasse 45
Ein eigenartiges Bild: Eine Puppe liegt am Boden. Nur Infussionsschläuche verbinden sie mit zwei entfernten Schaufensterpuppen-Köpfen. Der weibliche Kopf trägt eine elegante Augenmaske, der männliche Kopf versteckt die Augen hinter einer Sonnenbrille und der Mund ist ebenfalls maskiert oder geknebelt. Es herrscht eine Stimmung der Trostlosigkeit und Verlorenheit. Das Bild gehört zu einer Dia -Serie, die paralell zu den zwei Video-Vorführungen „Bitte beachten“ und „Am Abend vor Gründonnerstag“ von Günther Wilhelm im Kulturzentrum „HartmannStrasse 45“ gezeigt wurden. Der Radierer und Lithograph Günther Wilhelm wurde 1949 in Ludwigshafen geboren und besuchte von 1969 bis 1974 die Werkkunstschule in Mannheim. Er erhielt zahlreiche Preise, so 1991 den Kunstpreis der Vereinigung Pfälzer Kunstfreunde, Picasso-Medaille und 1992 den Preis der Antonie-Besler-Stiftung der Stadt Ludwigshafen. Die Video-Installationen sind teilweise Aufzeichnungen von Performance-Veranstaltungen von Günther Wilhelm. Fast wie ein roter Faden durchzieht den Film „Am Abend vor Gründonnerstag“ das Motiv der Kreuzigung von Mann und Frau. Ein Stilmittel sind die lange verharrenden Kameraeinstellungen. So liegt zum Beispiel der Mann gekreuzigt am Boden und nach scheinbar unendlich langer Zeit zieht er die Beine langsam an den Körper. Unheimlich grotesk mutet eine andere Szene an, in der drei Personen bei Tisch sitzen. Der Mann verbarrikadiert sich hinter einer Gasmaske, die Frau schaut durch ihre Augenmaske, und der Kopf der dritten Gestalt steckt in einer Fechtmaske. Mit Plastikhandschuhen gekleideten Händen untersuchen die Personen ihre Speisen, die sich in sexuelle Symbole verwandeln. Die Personen zelebrieren das Essen, doch die Masken hindern sie am wirklichen Kontakt mit den Speisen und zueinander. Sie sind in ihrer Isolation gefangen. Auch das Video „Bitte beachten“, das bei der Vorführung das erstemal gezeigt wurde, bearbeitet Momente der Kreuzigung und Visionen von sexuellen Obsessionen, von Angst und Gewalt. So ist es nicht immer leicht für den Zuschauer, den Videos zu folgen, und doch können die Bilder durch ihre Intensität in ihren Bann ziehen.

Schöne Bilder
Schöne Bilder ....hat Günther Wilhelm eines seiner Videos betitelt. Auch wenn wir das von Anfang an als Ironie verstanden haben, sind wir als Betrachter nicht einverstanden. Wie andere Künstler auch bedient sich Günther Wilhelm, der als Grafiker bekannt ist, der Videotechnik als Medium und Ausdrucksmittel. Auch Fotografien. Installationen, Performances sind Teile seiner künstlerischen Produktion, und wie es ja jüngst eine Ausstellung seiner Fotos gezeigt hat, haben diese „Nebenmedien“ nicht dienende Funktion, sind nicht allein Zulieferer von bildnerischem Rohmaterial .

Radierungen - Fotos - Installationen - Videobilder - Performances - Fotokopien - Videos - Fotos - Radierungen:

Am Ende dieser langen Kette ist die Realität des ursprünglich abgebildeten längst verschwunden.
..Der Versuch einer Inhaltsangabe zeigt, daß das wesentliche dieser Videos in einer irgendwie gearteten Handlung liegt. Der Reiz liegt „näher am Medium selbst“, nämlich in seinen grafischen Eigenschaften, in seiner Farbwiedergabe, im Spiel mit der Zeit, mit der Bewegung. Auch wenn sich auf dem Schirm wenig oder nichts bewegt, sitzen wir gebannt davor. Was hält uns? Die gewohnheitsmäßige Vermutung, daß gleich etwas passieren wird, daß die „Handlung“ Höhepunkt und Abschluß finden muß? Die Gewißheit, daß uns Günther Wilhelm per Videoschnitt eine maximale Betrachtungszeit zugebilligt hat und die Ungewißheit, wie lange sie sein wird? Oder die ansprechende Gestalt, in der uns „schöne Bilder“ präsentiert werden? Bilder, die wir offen nicht „schön“ nennen wollen - deren Attraktivität in den ihnen innewohnenden, ewigen Themen liegt, denen wir uns durch Wegschauen gerade nicht entziehen können
Hans-Uwe Daumann


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