Pressespiegel


Traum, Spiel, Provokation
Neue Fotografien und Fotogramme von Günther Wilhelm in der „HartmannStrasse 45“ . Von unserem Redaktionsmitglied Dietrich Wappler

Eine Frau in einem Netz. Wie ein gefangener Fisch scheint sie sich gegen die Überwältigung zu wehren, das Netz zerreißen zu wollen. Aber das Bild ist nicht eindeutig, die Verteidigungsgeste könnte auch eine tänzerische sein, der Kampf mit dem Netz nur ein Spiel mit einem widerspenstigen Gegenstand, Traumszene, Choreographie einer undeutlichen Phantasie.
Die neuen Fotografien von Günther Wilhelm, zu sehen in der Galerie „Hartmannstrasse 45“ in Ludwigshafen, haben fast alle das Spannungsverhältnis zwischen Mensch und Ding zum Thema. Der Mensch ist eine Frau, unbekleidet oder in knappen Dessous, das Ding ist besagtes Fischernetz, ein grobes Hanfseil, ein Fuchspelz, ein Stuhl, eine Vogelmaske. Meist fügen sich die Einzelaufnahmen zu Sequenzen, in denen der Gegenstand spielerisch erprobt wird, die Frau sich aus der Folie wickelt wie eine Schmetterlingslarve oder sich aus der Verschlingung befreit.
Der 1949 in Ludwigshafen geborene Günther Wilhelm ist von Hause aus Grafiker. Über viele technische Vermittlungsebenen hat er in der Vergangenheit seine Themen behandelt: Sexualität, Gewalt, Tod. Wichtiger als der Mensch war hier lange Zeit sein Werk, der Fetisch, Symbol und Werkzeug seiner Begierden und Handlungen. Die Fotografie diente Wilhelm als Hilfsmittel zur Umsetzung seiner Ideen, schnell geschossene Fotos waren die Vorlagen für sorgfältig ausgeführte grafische Blätter. Über den Umweg von Installationen und Performance, wo die Kamera zunächst nur der Dokumentation diente, die Fotografien und Videoaufnahmen aber zunehmend künstlerische Eigenständigkeit erlangten, kam Wilhelm nun auf die Fotografie als zentrales Medium seiner Arbeit.
Nun könnte die Entwicklung wieder in die entgegengesetzte Richtung gehen, viele der Fotos besitzen eine ausgesprochen grafische Qualität, bilden Netze und Schnüre, die sich über Haut und Haare spannen, diffiziele Strukturen, die den formal-ästhetischen Aspekt dieser Fotografien neben ihren Inhaltlichen rücken. Einige ebenfalls ausgestellte Fotogramme, bei denen Gegenstände unmittelbar aufs Fotopapier belichtet werden, suchen bereits nach einer ins Abstrakte tendierende Aussage jenseits ihrer Gegenständlichkeit. Auch inhaltlich zeigen Wilhelms neue Fotografien einen ungewohnten Aspekt, offenbaren eine spielerische, manchmal humorvolle Leichtigkeit, die dem gewichtigen Ernst früherer Arbeiten nicht eigen war. Das Provozierende dürften sie für viele Betrachter dennoch nicht eingebüßt haben, Nacktheit, zumal in Verbindung mit Gewalt, zeigt noch immer ihre Wirkung. Alice Schwarzers Attacke gegen die mit ähnlichen Inhalten arbeitenden Fotografen von Wilhems prominenten Kollegen Helmut Newton bewies, daß die Empörung nicht immer Resultat einer ernstgemeinten Auseinandersetzung ist. Allen Einwänden des Provozierenden, auch Spekulationen zum Trotz, lohnt diese Auseinandersetzung, muß wohl, auch sein in einer Gesellschaft,in der diese Themen auf der Tagesordnung sind.


Schamlose Schönheit 
Fotos von Günther Wilhelm
„Schamlos schön“ nennt Günther Wilhelm seine Aktfotografien in der Medienwerkstatt Cut. Wer sich an frühere „schöne Bilder“ des Künstlers erinnert, der von der Radierung mehr und mehr zur Fotografie übergegangen ist, wird skeptisch reagiern. Denn „schön“ war bei Wilhelm kritisch negativ besetzt. Damit ist es nun, so scheint es, vorbei. Ohne Hintergedanken hat sich Wilhelm der Schönheit des weiblichen Körpers ergeben. Was diesen vormals unschön und gewaltätig in aggressiven Bildern von Einschnürung, Knebelung, Unterdrückung zur Schau stellte - Netze, Stricke, Plastikfolien, Bandagen und Korsetts - ist zum verspielt erotischen Accessoire mutiert. Wilhelm läßt seinen Models die Freiheit, sich selbst zu inszenieren. Denn das Beiwerk zu dem obengenannten kommen noch Ultraerotica wie schwarze Strümpfe, schwarze lange Handschuhe, Pelz, durchsichtiger Tüll - stammt zwar von Günther Wilhelm, sogar die Gasmaske, eines seiner Lieblingsrequisiten, ist vereinzelt immer noch da, aber die Models wählen sich aus, womit sie sich inszenieren. Die Fotos sind Zustände aus Performances, die sie nach ihren eigenen Vorstellungen gestaltet haben.
Aus dem Bewegungsfluß hält das Foto die bisweilen klassische, bisweilen ausgefallene Pose fest. Sie ist oft ein bißchen verrucht, manchmal eher bizarr, immer rückt sie die Schönheit des Körpers in den Vordergrund. Die grafischen Effekte lustvoll zelebrierter Verhüllung- und Enthüllungsvorgänge mit feinmaschigen Netzen, durchsichtiger Plastikfolie oder Tüll werden im Schwarz-Weiß -Foto ausgereizt.

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